Sprossen gelten in der fernöstlichen Küche seit jeher als schmackhafte und gesundheitsfördernde Zutat. Bei uns erleben sie ihren Aufschwung erst in den 1980er Jahren. Sie gelten als kleine vitminreiche Vorratskammer und punkten mit einer großen geschmacklichen Vielfalt. Gärtner auf der Fensterbank wird so einfach wie noch nie – selbst ohne sommerliche Temperaturen und prallen Sonnenschein.

Radieschen, Soja, Sonnenblumen-Microgreens
Spross, Keimling oder Samen?
Keimling ist der botanische Name für die junge Pflanze, die die Samenschale durchbricht und noch vom Nährgewebe des Samens zehrt. Oft wird der Begriff Spross umgangssprachlich für den Keimling verwendet. Der Spross ist der mit Blättern besetzte Stängel der Jungpflanze. Sprossen sind also das Ergebnis der Keimung von Samen, die in einem Nährmedium wie Wasser entstehen und vor der vollständigen Bildung von Laubblättern geertet werden. So wird der Spross mit dem Samen als Nahrungsmittel verzehrt.
Sprossen werden meist aus Getreide, Hülsenfrüchten oder Kresse gezogen. Dafür eignen sich Gerste, Hafer, Hirse, Mais oder Roggen. Auch geeignet sind Soja-, Mungo-, Azuibohne, Kicher-, Staucherbse, Alfalfa, Erbse und Linse oder auch Ölsaaten und andere Pflanzen wie Buchweizen, Daikon-, Gartenkresse, Leinsamen, Rettich, Senf, Sesam, Sonnenblumen(kerne) und Brokkoli. Je nach Sorte müssen unterschiedliche Bedingungen eingehalten werden. Dazu gibt es weiter unten eine tolle Übersicht. Diese Voraussetzuungen gelten aber für jeden Keimvorgang …
- Wasser: die Sprossen sollten permanent feucht gehalten werden
- Wärme: optimal sind 18 – 22 °C
- Luftzirkulation: für die Abgabe überschüssiger Wärme und Feuchtigkeit
- Licht: je nach Pflanze unterschiedlich, direkte Sonneneinstrahlung vermeiden
- Volumen: das Volumen der Sprossen ist bis zu 15x höher als das der Samen
Sprossen = Nährstoffbomben?
Während des Keimvorganges finden im Keimling Ab-, Um- und Aufbauvorgänge der Inhaltsstoffe statt. Der Nährwert wird gegenüber dem des Samens deutlich gesteigert. Die Sprossen sind reicher an Mineralien, Vitaminen und anderen wertvollen sekundären Pflanzenstoffen als die später ausgewachsene Pflanze, auch ihre Proteinqualität verbessert sich. Sprossen haben außerdem einen hohen Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Infolge der Wasseraufnahme verringert sich die Energiedichte und der Keimling wird leichter verdaulich. Die Sprossen von Kreuzblütlern enthalten zudem besonders viele Senföle. Dazu gehören Kresse, Rucola, Radieschen, Rettich und Brokkoli. Brokkoli zeigt bewundernswerte Ergebnisse in Laborversuchen. Das darin enthatene Antioxidans Sulforaphan, das durch das Enzym Myrosinase gebildet wird, zeigt eine Wirksamkeit gegen Tumorstammzellen. Spannend!
Sprossen ziehen leicht gemacht!
Das richtige Saatgut: Es sollte biologisch angebaut, dekontaminiert und nicht chemisch behandelt sein.
Das richtige Keimgefäß – Es gibt viele verschiedene Keimgefäße – von Schalen bis Gläsern von unterschiedlichen Anbietern. Häufig haben diese eine Vorrichtung, die für die Neigung des Glases sorgt. Natürlich geht es auch ohne. Dazu einfach ein größeres Einmachglas gut ausspülen und mit Gaze oder Mull bespannen. Gläser eignen sich besonders für nicht schleimbildene Samen.
Die Samen spülen und je nach Sorte unterschiedlich lang einweichen, das Wasser abgießen und die Samen erneut spülen. Im Anschluss das Keimglas atmungsaktiv verschließen und schräg lagern. Je nach Anspruch des Saatgutes an einen hellen oder dunklen Ort stellen. Das Keimgefäß jeden Tag mit Wasser durchschwenken und anschließend abtropfen lassen. Wasser dringt durch die Schale ein, der Samen quillt, die Samenschale platzt auf. Das Wachstum beginnt.
Bei einigen Samenkörnern wie Kresse oder Rucola bildet sich nach dem Quellen eine Schleimhülle. Sie speichert Feuchtigkeit und dient dem besseren Keimen. Für schleimbildene Saaten ein flaches Gefäße wie Keimschalen mit Keimvlies ausgelegt verwenden. Das verhindert das Faulen der Saaten. Das Saatgut wässern, in die Schale geben und bei maximal 22 °C aufgewahren, mit Folie abdecken. Bis zur Keimung täglich je nach Sorte wässern oder besprühen. Die Abdeckung einmal pro Tag zum Belüften entfernen.
Ernte und Lagerung
Die Ernte – Die Ernte ist sortenabhängig. Manche Sprossen dürfen vor einer bestimmten Anzahl an Keimtagen nicht verzehrt werden, andere sind bereits nach 3 Tagen verzehrfertig. Unmittelbar vor dem Verzehr sollten die Sprossen gründlich gewaschen werden. Auch Blanchieren ist möglich – aber davon bin ich persönlich überhaupt kein Fan! Denn die guten Inhaltsstoffe landen im Blanchierwasser und werden in den meisten Fällen in den Ausguss gekippt.
Die richtige Lagerung – Zur Aufbewahrung die frischen Sprossen möglichst gut abtropfen lassen und locker in ein gut verschließbares Gefäß geben. Die Sprossen sollten nicht zusammengepresst werden. Frische Sprossen sind im Kühlschrank etwa 2 bis 3 Tage haltbar.
Hygiene
Wichtig: Das feuchtwarme Klima, das für den Keimvorgang nötig ist, fördert auch das Wachstum von Bakterien und Schimmelpilzen. Eine gute Belüftung ist daher wichtig. Die Zugabe von Senf- oder Rettichsamen kann helfen, das Wachstum der Mikroorganismen zu hemmen.
Vor dem Verzehr müssen die Sprossen gründlich gewaschen werden. Sprossen sind kein keimfreies Lebensmittel. Werden sie von sogenannten YOPIS verzehrt, sollten sie unbedingt durchhitzt werden. Am liebsten brate ich sie in einer Pfanne kurz an. Wenn ihr sie beispielsweise im Brotteig backt, ist dieser Schritt natürlich nicht notwendig.
YOPIS (young, old, prägnant, immunosuppressed) sind Personen, die besonders empfindlich für lebensmittelbedingte Infektionen sind, da ihr Immunsystem entweder geschwächt oder noch nicht vollständig ausgebildet ist. Unter jung fallen Kinder bis 5 Jahre, weiterhin zählen Senioren, Schwangere und immungeschwächte Personen zu dieser Gruppe.

Die kleinen Faserwurzeln haben ein watteartiges, pelzig-flaumiges Aussehen. Das ist kein Schimmel!
Auf einen Blick…
Samensorte | Geschmack | Einweichzeit | Keimdauer | Hinweis |
Alfalfa (Luzerne) | mild, nussig | 4 h | 7 – 8 Tage | 2 x tgl. wässern, Verzehr erst ab 7. Tag |
Bockshornklee | intensiv, würzig | 5 h | 2 – 4 Tage | 2 x tgl. wässern |
Brokkoli | würzig | 6 h | 4 – 6 Tage | 2 x tgl. wässern, nicht für Keimglas |
Grünkohl | mild, würzig | 6 – 12 h | 3 – 6 Tage | 2 x tgl. wässerm |
Kresse | würzig | – | 3 – 5 Tage | 1x tgl. besprenkel (Schleimsaat) |
Mungobohne | knackig, süßlich | 12 h | 3 – 5 Tage | 2 x tgl. wässern, roher Verzehr ab 4. Tag |
Radieschen | scharf, kräftig | 12 h | 4 – 5 Tage | 2 x tgl. wässern |
Rucola | würzig, leicht scharf | – | 4 – 6 Tage | 1x tgl. besprenkeln (Schleimsaat), nicht für Keimglas |
Weizen(gras) | süßlich, mild, nussig | 12 h | 7 – 10 Tage | 2 x tgl. wässern, nicht für Keimglas |
Microgreens
Im Kühlregal der Gemüseabteilung stehen neben Sprossen mittlerweile auch Microgreens. Aber die beiden Begriffe trennen schon die Anzuchtbedigungen. Sprossen, Keimlinge, können komplett ohne Erde und je nach Pflanze auch ohne Tageslicht gezogen werden. Dazu eignet sich für die meisten Sorten ein Keimglas. Microgreens hingegen benötigen ein Anzuchtsubstrat wie Erde. Daher eignet sich hierfür ein flaches Schälchen, optimal mit Wasserablauf. Werden sie nicht rechtzeitig geerntet, wächst ein Sämling, bei dem außer den beiden Keimblättern mindestens zwei weitere Blättchen entwickelt sind. Und so gehts …
- Saatgut von Radieschen, Rote Bete, Alfalfa, Spinat, Senf & Co. sehr eng säen.
- Untergrund feucht und warm halten, also nicht in den Kühlschrank stellen.
- Nach 2-3 Wochen sind die Microgreens erntereif.

Microgreens aus Sonnenblumensamen
Noch mehr Fakten und Impressionen rund um das Thema Sprossen und Microgreens seht ihr in meinem Video:
Und wozu passen die Sprossen?
Die Frage sollte eher lauten: Wozu passen sie nicht? Als Topping für Salate, Suppen, Bowls, auf’s Brot, im Pesto, … Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Probiert sie doch mal auf meinem leckeren Bittersalat – damit seid ihr im Winter bestens versorgt!