Hmm… manche Speisen gleichen einer wahren Explosion auf der Zunge. Bis zu 5.000 Geschmacksknospen ermöglichen es uns, fünf Geschmacksrichtungen wahrzunehmen: Wir schmecken die Süße von Früchten, die Säure der Zitrone, das Salz in der Suppe, eine würzige Umami-Note – und was fehlt? Bitter! Während wir Süßes lieben und Saures bekanntermaßen lustig macht, stehen Bitterstoffe eher selten auf dem Speiseplan.
Haben wir (es) bitter nötig?
Der bittere Geschmack einiger Pflanzen ist bei den meisten Menschen eher unbeliebt. Das hat in den letzten Jahrzehnten zu neuen Züchtungen von Rucola, Chicoree, Grapefruit und Co. geführt, so dass diese mittlerweile deutlich milder schmecken – und sich an neuer Beliebtheit erfreuen.
Für unsere Gesundheit ist das allerdings keine gute Nachricht. Auch wenn der bittere Geschmack das erst einmal nicht vermuten lässt, kann er unser Wohlbefinden deutlich steigern. In vielen Völkern gelten Bitterstoffe als wichtiges Heilmittel. In der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) wird die Geschmacksrichtung sogar dem Herzen und dem Gefühl der Freude zugeordnet. Sauer macht lustig, bitter macht glücklich!
Was steckt hinter den Bitterstoffen?
Zu den Bitterstoffen zählen alle chemischen Verbindungen, die einen bitteren Geschmack aufweisen. Sie sind in vielen verschiedenen Pflanzen enthalten. Dabei gibt es starke Unterschiede im Bitterstoffgehalt, so dass manche Lebensmittel besonders bitter schmecken und andere nur ganz leicht bitter.
Bitterstoffe zählen zu den sekundären Pflanzenstoffen. Sie lassen sich keiner einheitlichen chemischen Gruppe zuordnen. Wichtige Verbindungsklassen sind aber zum Beispiel die Terpene, also in der Natur weitverbreitete, zyklische Kohlenwasserstoffverbindungen, oder auch die Glykoside, Alkaloide und Steroide.
Was können die Bitterstoffe?
Bitterstoffe können unser Wohlbefinden auf verschiedenen Ebenen bessern. Hier eine kleine Übersicht:
Natürlicher Gegenpol zur Geschmacksrichtung Süß: | Bitterstoffe können den Heißhunger auf Süßes verringern. Außerdem vermitteln sie uns das Gefühl, schneller satt zu sein. So wird durch den bitteren Geschmack der Appetit reguliert. |
Verdauungsfördernde Wirkung: | Bitterstoffe aktivieren die Schleimhäute des Verdauungstraktes, halten sie elastisch und sauber. So werden Nährstoffe und Vitamine besser aufgenommen und Giftstoffe sicher ausgeschieden. Schon im Mund sorgen Bitterstoffe für eine vermehrte Speichelbildung. Aber auch im Magen, in der Bauchspeicheldrüse, im Darm und der Leber kommt es zu einer verstärkten Sekretion von Verdauungssäften. |
Gesunde Darmflora: | Ein geschädigtes Darmmilieu kann durch die verdauungsfördernden Wirkungen der Bitterstoffe stabilisiert werden. Typische Darmbeschwerden wie etwa Blähungen können sich normalisieren. |
Aktive Entsäuerung: | Durch die Regulierung des Verdauungssystems werden körpereigene Basen gebildet. Sie neutralisieren überschüssige Säuren, die wir über die Nahrung (vor allem durch kurzkettige Kohlenhydrate, Fast Food, Kaffee und Alkohol) aufnehmen. |
Mobilisieren die Abwehrkräfte: | Durch die Bitterstoffe wird die Darmschleimhaut aktiviert. Und genau dort sind über 80 % unseres Immunsystems angesiedelt – ein gesunder Darm ist also entscheidend für starke Abwehrkräfte! |
Natürliches Anti-Aging-Mittel: | Bitterstoffe wirken über den Darm und über das vegetative Nervensystem anregend auf das Herz-Kreislaufsystem, halten die Blutgefäße elastisch und fördern die Durchblutung von Gehirn, Haut und Geweben. Weiterhin haben sie zellerneuernde Effekte und hemmen Entzündungen. Wir fühlen uns also nicht nur besser, wir sehen auch frischer aus! |
So könnt ihr Bitteres genießen:
In der Theorie klingen Bitterstoffe ziemlich überzeugend. Aber wie nehmt ihr Bitteres nun zu euch?
Das Tolle ist: Wir können lernen, Bitteres zu genießen. Tastet euch langsam an Bitterstoffe heran und steigert nach und nach die Menge der Lebensmittel, die besonders bitter schmecken.
- Gemüse wie Artischocken, Radicchio, Chicoree, Fenchel, Rucola, Brokkoli und auch Zwiebeln, Knoblauch, Ingwer, Kurkuma und Galgant enthalten eine ordentliche Portion Bitterstoffe. Wenn ihr diese Sorten mit milderen Gemüsearten kombiniert, ergänzen sich die verschiedenen Geschmäcker wunderbar. Probiert doch mal einen Fenchel-Tomaten-Auflauf oder einen knackigen Salat mit dem Hingucker Radicchio!
- Zitrusfrüchte sind nicht nur vitaminreich, sondern auch bittersüße Ergänzungen in Obstsalat, Drinks und Salaten. Neben Zitrone sind auch seltenere Sorten wie die Pampelmuse und Pomelo köstlich.
Auch in flüssiger Form können Bitterstoffe ihre Wirkung entfalten. Der allseits bekannte Verdauungsschnaps hilft übrigens deshalb, weil er in der Regel Bitterstoffe enthält. Auch Aperol, Campari oder Gin Tonic schmecken bitter. Dennoch ist Alkohol nur bedingt zu empfehlen.
Lieber könnt ihr zu Tees greifen, die natürliche Bitterstoffe enthalten. Fenchel-Anis-Kümmel-Tee ist eine gute Option, aber es gibt heute auch spezielle Bitter-Mischungen mit Enzianwurzel, Löwenzahn, Tausendgüldenkraut und vielen weiteren Bitterkräutern. Auch das Trend-Getränk Matcha enthält Bitterstoffe!
Wenn ihr euch noch etwas schwer tut, bittere Lebensmittel in euren Speiseplan einzubauen, könnt ihr auch zu speziellen Tropfen greifen. Diese sind hochkonzentriert und entfalten effektiv ihre Wirkung – wichtig ist nur, dass ihr den bitteren Geschmack wahrnehmt. Sonst fehlen viele der positiven Effekte, beispielsweise der verringerte Heißhunger.
Wir haben es bitter nötig!
Bitterstoffe sind für uns alle eine tolle Möglichkeit, das Wohlbefinden zu steigern. Grundsätzlich tun sie uns allen gut – übrigens auch schon in jungen Jahren. Je früher Kinder die Geschmacksrichtung Bitter kennenlernen, desto besser gewöhnen sie sich daran.
Menschen sind individuell. Genau so sind es unsere Geschmacksknospen. So wurde herausgefunden, dass wir aufgrund unserer Gene unterschiedlich sensibel auf Bitterstoffe reagieren. Es gibt Menschen, für die Rucola ungenießbar ist, andere lieben ihn! Setzt euch also nicht unter Druck, ab jetzt in jede Mahlzeit Bitteres zu integrieren. Aber ihr werdet merken, dass sich euer Geschmackssinn anpasst. Bald schon gehört Bitteres wieder ganz selbstverständlich dazu!
Achtung: Wer an einer akuten Gastritis oder sogar an Magen- bzw. Darmgeschwüren leidet, sollte keine Bitterstoffe zu sich nehmen. Denn das könnte im schlimmsten Fall zu verstärkten Symptomen führen.
Wenn ich euch neugierig gemacht habe, schaut doch gerne mein neues Video zum Thema Bitterstoffe an!
Und hier kommt ihr zu einem leckeren Pesto-Rezept mit ordentlich Bitterstoffen – der Klassiker mal anders!