Gerade ist so ungefähr die 10. neu gestaltete und geschriebene Auflage meines „Kochen für Babys“ herausgekommen. Nicht zu fassen, wie sich Kochbücher geändert haben! Die erste Ausgabe vor über 30 Jahren hatte noch „Farbtafeln“, 20 Textseiten mehr und überhaupt: Viel mehr Text damals. Der ist mit der Zeit geschrumpft, der Bildanteil gewachsen. Mal 2-, mal 3-, mal 4-spaltig! Zwischendurch war mal mehr Baby, dann pastell – und jetzt grad etwas schlichter. Der Inhalt hat sich dabei langsamer gewandelt als die Optik! Und genau das haben wir in einer bunten Runde von „Foodies“ vor etwas 20 Jahren während eines Brainstormings beim Gräfe und Unzer Verlag prognostiziert.
Die Geschichte meiner Baby- und Kochen für Kinder- Bücher ist eng mit diesem Verlag verbunden, der ein spezielles Know How im Bereich der Kochbücher hat. Und so war ich dieses Jahr auch wieder beim traditionellen Flurfest in der Kochbuchredaktion! Eine verschworene Gemeinschaft von Redakteuren, Autoren, Lektoren, Fotografen trifft sich da, die alle wissen, wie man schöne, gute Kochbücher macht. Und die alle ein bisschen leiden – weil so richtig gewürdigt wird diese Kunst selten. „Nur ein Kochbuch“ – schwingt ja mit, wenn ich gefragt werde: „Aaaach – schreiben Sie noch immer so – häm – Kochbücher?“ Jaaaaaa! Dabei gehört so viel dazu, ein Kochbuch entstehen zu lassen. Manchmal muss ich für meine Idee jahrelang kämpfen. Manchmal wird sie nie umgesetzt. Und manchmal klappt es auf Anhieb. Dann nämlich, wenn ich darüber nachgedacht habe – und die Redakteure auch über so ein Thema sinnierten – und noch niemanden beauftragt haben. Wenn der Verlag sich nämlich damit noch nie beschäftigt hat, wird es nichts. Ist ja vielleicht auch gut so – dann liegt es noch nicht in der Luft. Schließlich schreibe ich nicht nur für Trendsetter – davon könnten weder Verlag noch ich leben.. Und – zweiter worst case – wenn die Redaktion schon jemand anderen beauftragt hat, wird es ebenso nichts. Nada. Die Grauzone sind alle möglichen konkurrierenden Konzepte, die im Verlag liegen. Auch die machen meiner Idee das Leben schwer.
Und wenn ich es endlich geschafft habe? Dann geht es erst richtig los. 20seitige Verträge müssen verhandelt werden – ein mühsames Geschäft, immer begleitet von unterschwelligem Groll. Auf beiden Seiten. Den müssen wir danach hinter uns lassen, was erstaunlicherweise immer wieder gelingt.
Dann wird die Struktur gebastelt. Denn es geht ja nicht nur um den roten Faden – es geht auch um das Layout – wie viele Fotos auf welcher Seite, entsprechend wie viel Text, in welcher Form? Für wie viele Personen ein Rezept? Und welche Kalorienzahl? Für Schulkinder anders als für Kleinere, für Frauen anders als für Männer. Und das alles so vereinfacht, dass es den Leser nicht verwirrt. Das gilt auch für die Rezepttexte: Beschreibe ich alles so pannensicher, dass jeder Anfänger zurecht kommt, wird das Rezept so lang, dass Anfänger es sich dann garnicht mehr zutrauen. Ist es zu kurz, geht später alles schief. Aber kochen meine Leser die Rezepte wirklich? Und liegen nicht nur mit dem Buch auf dem Sofa und schwelgen? Manche Bestseller legen das ja nah. Aber ich stelle mir lieber einen Leser vor, der das ausprobiert, was ich ihm vorschlage. Also – zumindest zum Teil…
Ist die Stuktur von der Redaktion abgesegnet und sind die Rezepte geschrieben, wird berechnet und getestet. Sind die Mengen und Nährwerte realistisch? Die Zutaten im Supermarkt zu haben? Das ist bei Saisonware von Spargel bis Grünkohl manchmal schon schwer. Ist alles beieinander, kann gekocht werden. Das machen meist die Praktikanten, weil das realistisch ist. Da fliegen Fehler im Text sofort auf. Wenn ich koche, wird es ja immer etwas, weil ich weiß, wo ich hin koche. Essen tun wir dann alle gemeinsam. Das ist so ziemlich der schönste Teil der Arbeit. Neuerdings auch für Instagram auf netten Tellern hübsch arrangiert… Zum Glück habe ich ja ein ganzes Gartenhäusel mit Tellern und Töpfen, Besteck, Deko – also Requiste heißt das. Manchmal wird das Essen dann kalt bis der Leckerbissen im Kasten ist. Und manchmal sind wir so hungrig, dass wir das Foto vergessen.
Wenn die Rezepte bestanden haben, dann geht es ans Manuskript. Ich schreibe Kapiteleinleitungen, Vorwort, Glossar, Bildunterschriften und manchmal noch nötige Erläuterungen. Und schwupps bekommt es die Lektorin. Arbeitsteilung heißt die Devise: Das Layout wird vom Verlag, meist in Serien, entwickelt – ich darf meckern – mehr auch nicht. Die Redakteurin kümmert sich derweil um Fotograf und Illustrationen. Da bin ich draußen: wer zahlt, bestimmt. Meistens ist das auch gut so. Die Redakteurin arbeitet also am Buch wie ein Herausgeber und kämpft in der Redaktion für das Buch. Bei der Vertretertagung sogar wie ein Löwe – unser Buch muss sich ja im Programm seinen Platz erobern. Deshalb spricht der Vertrieb ein gewichtiges Wort mit, wenn es um Titel und Cover geht. Meist hilft das – manchmal geht es allerdings auch daneben… Also als Autor ist man da nur ein kleines Licht. Verkaufen muss es ja der Verlag.
Doch zurück zum Entstehen meines Buches: Der Höhepunkt meiner Leidenszeit als Autorin beginnt. Die Lektorin kommt mit Fragenkatalog, Kürzungs- und Längungswünschen um die Ecke. Jede Frage ein Giftpfeil! Ich bin empört. Und dann noch Kritik der testenden Kochfrauen! Alles Ignoranten! Wie gut, dass wir uns im Büro gegenseitig trösten und aufbauen können. Um am Ende still zu ahnen: dem Buch tut es gut! Denn jedes Rezept, jede Zeile kann besser werden. Meistens jedenfalls.
Die ersten Bilder landen auf dem Server – Balsam für die empfindsame Autorenseele. Denn nicht nur mit eigenen Texten, auch mit selbst Gekochtem offenbare ich mich ja und mache ich mich verwundbar. Schöne Bilder unserer „Babys“ legen sich da wie Balsam auf die empfindlichen Stellen.
Der Höhepunkt ist die Imprimatur: Hier unterschreibe ich, dass ich für die Richtigkeit aller Seiten von x bis y garantiere. Das ist nach allen eingefügten Korrekturen und Diskussionen nur noch eine Formsache. Bis das Buch dann endlich gedruckt ist, dauert es aber Monate. Da bin ich oft ganz erstaunt, was ich geschrieben habe, denn längst haben mich andere, neue Projekte mit Beschlag belegt. Das neue „Kochen für Kleinkinder“ ist erst im Sommer 2019 fertig, obwohl wir schon alle Rezepte probiert und alle Texte abgegeben haben.
Doch zurück zu den überarbeiteten Bestsellern. Nach und nach sind alle meine Kinder-Klassiker „gelaunched“ worden. Diese Woche kam mein dickes „Kochen für Kinder“ rundum erneuert heraus. Der Abschiedsschmerz vom alten Buch verblasst angesichts der tollen, frischen Seiten. Immer fällt es mir schwer, Abschied zu nehmen von bewährten Rezepten – manche behalte ich dann auch. So ging es mir auch bei den Neuauflagen von „Unser Baby – Das erste Jahr“ und „Das große Kochbuch für Babys & Kleinkinder“. Aber Neues muss ja seinen Platz finden. Ich möchte die nicht enttäuschen, die dieses Buch jetzt für ihre Enkelkinder kaufen – und gleichzeitig auch auf der Höhe der Zeit sein. Gut, dass der Verlag das auch so sieht. Denn ein Kochbuch bleibt nur Bestseller, wenn er sein Gesicht wandelt. Bei Romanen ist das zweitrangig.
Und damit bin ich am Ende meines Plädoyers fürs Kochbuch. Das inhaltlich und optisch ein Kunstwerk ist – und ein Zeitzeugnis. Es begleitet uns durch wichtige Lebensphasen – jede abgeknickte Ecke, jede Notiz am Rande und jeder Fettfleck ist ein Stück Erinnerung. Denn es ist wie mit Gerüchen, über die Rudyard Kipling schreibt: Sie dringen tiefer ins Herz als Bilder und Töne. Kochbücher sind ein Duft aus unserer Küche. Was gibt es Besseres?
Aber was macht ein gutes Kochbuch eigentlich aus? Was sind Qualitätsmerkmale? Und von welchen „Schinken“ lieber die Finger lassen? Antworten auf diese Fragen und eine übersichtliche Checkliste findet ihr demnächst hier – seid gespannt!