Ein sehr wichtiges Thema für werdende und junge Eltern: Wie entwickelt sich das Mikrobiom meines Kindes von Zeugung an bis in den Verlauf der Kindheit? Das Thema ist sehr komplex und auch sehr neu, da Darmforschung noch nicht allzu lange existiert…
Was ist das Mikrobiom?
Kleine Mikroorganismen besiedeln unsere Haut, Schleimhäute und den Darm. Die meisten dieser Mikroorganismen sammeln sich vor allem in den unteren Darmabschnitten. Die Gesamtheit aller Mikroorganismen, also Bakterien, Pilze, Viren, Archaeen und Protozonen, nennt sich Mikrobiota. Das Mikrobiom umfasst die Mikrobiota mit ihren Stoffwechselprodukten und den Umweltbedingungen. Es handelt sich um ein lebendiges Mikro-Ökosystem und hat großen Einfluss auf unsere Gesundheit. Bei der Verstoffwechselung unserer Nahrung spielt es auch eine große Rolle. Durch genetische, epigenetische und ernährungsbedingt Faktoren wird das Mikrobiom geprägt.
Das Mikrobiom eines Embryos…
…ist abhängig von einer Vielzahl von Faktoren. Daruter fällt die Genetik, die Bewegung der Mutter und die Gesundheit der Mutter, also ob sie beispielsweise raucht oder ein gesundes Gewicht hat. Auch die Ernährung der Mutter spielt eine große Rolle, da der Foetus im 3. Trimester 400-450 ml Fruchtwasser trinkt und das Fruchtwasser Aromen der mütterlichen Kost enthält. Es konnte sogar nachgewiesen werden, dass eine ausgeprägte Vorliebe der Mutter auf bestimmte Geschmäcker, später auch beim Kind vorzufinden ist. Das Kind nimmt also Geschmacksvorlieben der Mutter an. Zuletzt spielt auch die Psyche der Mutter eine große Rolle. Etwa viel Stress oder Erfahrungen mit Gewalt in der Schwangerschaft, können sich negativ auf das Ungeborene auswirken. Deshalb werdende Mütter immer in Watte packen!
Die Art der Geburt
Die Art der Geburt macht den ersten großen Unterschied im Mikrobiom. Babys die durch einen Kaiserschnitt zur Welt kommen, haben vor allem die Bakterien der Hautoberfläche von Mutter und Entbindungspersonal. Dies konnte nachgewiesen werden, da hier überwiegend Staphylococcen vorzufinden sind. Die Folge: sie sind anfälliger für bestimmte Infektionen. Beispielsweise treten 82% der MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus = Krankenhauskeim) – Hautinfektionen bei Kaiserschnitt- Babys auf. Außerdem haben sie häufiger Krankheitserreger wie Enterokokken oder Klebsielen in ihrem Mikrobiom. Eine Antibiotikabehandlung tötet nicht nur die Krankheitserreger, sondern auch die guten Bakterien. Das Mikrobiom wird sozusagen zurückgesetzt. Somit erhöht eine Antibiotikagabe im ersten Lebensjahr das Risiko für Übergewicht und Asthma im späteren Leben.
Vaginal geborene Babys besitzen die Bakterien der Vagina und der Faeces ihrer Mutter. Sie werden während der Geburt übertragen. Hier überwiegen die Bifidus-Bakterien. Die Unterschiede zwischen den Mikrobiota von Kaiserschnitt- und Vaginal-geborenen Babys bestehen auch noch bis zu 4 Monate nach der Geburt.
Da in den USA die Kinder überwiegend durch einen Kaiserschnitt zur Welt kommen, hat man eine sogenannte „Insemination“ eingeführt. Dabei bekommt das Frischgeborene ein Wattestäbchen mit Vaginalsekret der Mutter in den Mund. So bekommt das Kleine direkt eine Art „Impfung“ und erhält das Mikrobiom der Mutter.
Muttermilch
Der wichtigste Faktor nach der Geburt ist die Muttermilch. Hersteller von Säuglingsmilchnahrung finanzieren große Studien, um das Geheimnis der Muttermilch zu entschlüsseln und möglichst gut nachzubauen. Deshalb gibt es für Säuglinge ziemlich viele gute Studien. In den ersten 30 Lebenstagen erhalten Säuglinge, die mindestens 75 % täglich gestillt wurden, rund 27 % der Bakterien aus der Muttermilch und rund 10 % der Haut. Die Vielfalt und Zusammensetzung des Mikrobioms richtet sich nach der Muttermilchaufnahme pro Tag. Ältere Säuglinge ähneln in ihrem Darmmikrobiom ihren Müttern mehr als Babys im 4. Monat. Dies verdeutlicht die schrittweise Reifung des Darmmikrobioms.
Bei Kindern die nie gestillt wurden, konnte nachweislich festgestellt werden, dass eine um 2-3 % höhere Prävalenz von Übergewicht und Adipositas besteht, im Vergleich zu Kindern, die gestillt wurden. Kinder mit schwer akuter Mangelernährung haben erhöhte Proteobakterien und verringerte Bacteroides-Werte, dazu eine geringere Vielfalt des Mikrobioms. Dies ist ausgelöst durch einen Mangel an Bifidobakterien aus der Muttermilch. Also auch zurückzuführen auf das fehlende Stillen nach der Geburt.
Was baut das Mikrobiom auf?
Stillen baut es zwar nicht ausschließlich auf, allerdings fördert es im ersten Jahr die Mikrobiota. Besonders wichtig ist es in den ersten 4-6 Lebensmonaten. Beikost kann in kleinen Mengen ab dem 5. – 7. Monat gegeben werden. Dies senkt das Risiko für Allergien und für Zöliakie. Lösliche Ballaststoffe fördern die gute Darmmikrobiota. Sie werden zu kurzkettigen Fettsäuren abgebaut, die den Sauerstoff reduzieren. Weitere Dinge wie Bioaktivstoffe, fermentierte Lebensmittel, Bewegung, ausreichend Schlaf und eine regelmäßige Mahlzeitenstruktur sind für einen guten Aufbau des Mikrobioms von großer Bedeutung.
Was schadet dem Mikrobiom?
Salz überfordert nicht nur die kindlichen Nieren, sondern tötet auch Bakterien, die den Blutdruck niedrig halten, ab. Zusatzstoffe wie Emulgatoren oder Verdickungsmittel, aber auch Süßstoffe in Fertigprodukten können das Mikrobiom verarmen lassen. Zucker kann das Gleichgewicht zu schädlichen Darmbakterien verlagern. Zuletzt werden tierische Proteine und gesättigte Fettsäuren bei ballaststoffarmer Ernährung von der Mikrobiota verstoffwechselt, wobei schädliche Abbauprodukte entstehen.
Konsequenzen für die Kinderkost
Eine pflanzenbasierte Ernährung ist sehr gut. Allerdings nicht vegan – lieber eine „Mittelmeerkost“. Ich empfehle dabei 2 Portionen Obst (möglichst mit Schale) und 3 Portionen Gemüse am Tag (davon 2 Portionen gegart). Getreide und Getreideprodukte sollten möglich als Vollkorn verzehrt werden. Außerdem wenig Zucker, keine Süßgetränke, möglichst keine Fertigprodukte und Fett vorwiegend pflanzlich aus Ölen, Nüssen und Nussmus. Milchprodukte, Fisch und weißes Fleisch in mäßigen Mengen. Hülsenfrüchte besser erst ab dem zweiten Lebensjahr einführen und gut durchgaren.
Fazit
Stillen legt die Grundlage und ist unerlässlich für die Neugeborenen. Das Mikrobiom wird in den ersten Lebensjahren gebildet und ist die Grundlage für die Gesundheit im späteren Leben. Das Mikrobiom hängt mit einer optimalen Ernährung zusammen. Eine vollwertige pflanzenbasierte Kost nach Art einer Mittelmeerdiät ist auch für Kinder optimal. Ein gesundes Essverhalten prägt sich ein für das spätere Leben. Es besteht allerdings noch ein riesiger Forschungbedarf und wir sind gespannt, welche Erkenntnisse wir noch gewinnen werden.
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