Habt ihr auch schon von der Abnehmspritze gehört? Vielleicht spätestens als Elon Musk publik gemacht hat, dass er Dank des Medikaments „Ozempic“ super leicht abgenommen hat! Aber was steckt hinter der Abnehmspritze? Ist sie wirklich so vielversprechend und was hat sie für Schattenseiten?
Diabetes bekämpfen mit „Wunderspritze“
Vor einigen Jahren hörte ich auf einer Diabetes-Tagung einen besonders spannenden Vortrag. Es ging um ein Diabetes-Medikament. Ganz wichtig: Es handelt sich hierbei nicht um ein Medikament für Diabetes Typ 1, sondern es geht ausschließlich um den sogenannten „Altersdiabetes“, also den Typ 2! Der Typ 2 geht meistens mit Übergewicht einher. Normalerweise nehmen Typ-2-DiabetikerInnen bei Insulintherapie eher weiter zu. Bei diesem Medikament war jedoch das Gegenteil der Fall. Das Gewicht der PatientInnen sank und auch deren Diabetes verbesserte sich.
Und was passiert in unserem Körper?
Der Wirkstoff „Semaglutid“ wurde 2017 unter dem Handelsnamen „Ozempic“ in den USA und etwas später auch in der EU als Injektionslösung zugelassen. Subkutan gespritzt entfaltet es eine größere Wirkung als bei der oralen Aufnahme durch Tabletten. Da war die Bioverfügbarkeit durch die Verdauung und Darmpassage einfach zu gering. Demnach sollen sich DiabetikerInnen einmal pro Woche 1 mg Ozempic spritzen.
Die blutzuckersenkenden, antidiabetischen und antiadipösen Eigenschaften beruhen auf der Bindung des Semaglutids an den GLP-1-Rezeptor. Um aber nicht zu tief in die Biochemie einzutauchen, beschränke ich mich hier auf die Basics: Wenn sich Semaglutid an den Rezeptor bindet, wird vermehrt Insulin ausgeschüttet. Insulin sorgt dafür, dass Glucose, also Zucker, aus dem Blut in die Zellen aufgenommen wird. Der Gegenspieler des Insulins ist das Glucagon. Es sorgt für ein Gleichgewicht, indem wieder Glucose ins Blut abgegeben werden kann. Die Glucagonsekretion wird durch Semaglutid jedoch gesenkt, sodass weniger Zucker zurück ins Blut gelangt. Aber nie so viel, dass die Person in den Unterzucker kommen kann!
Dadurch reagiert der Körper wieder stärker auf Insulin, was im Prinzip das große Ziel der Diabetes-Typ-2-Therapie ist. Die Magenentleerung wird außerdem verlangsamt und damit auch die Geschwindigkeit, mit der Glucose in den Blutkreislauf gelangt. Nebeneffekt dieses vollen Magens: das Sättigungsgefühl steigt. Gleichzeitig reduziert Semaglutid das Hungergefühl im Gehirn. Beides trägt verstärkt zu einer Gewichtsabnahme bei. Da Übergewicht bei Menschen mit Diabetes Typ 2 meist eine große Rolle spielt, ist das ebenfalls ein wünschenswerter Effekt. Denn mit jedem Kilo weniger verbessert sich der Diabetes.
Abnehmen schön und gut, ABER …
Ursprünglich war das Medikament nicht zum Abnehmen, sondern zur Diabetesbehandlung gedacht. Jedoch hört man immer mehr von Semaglutid als „Abnehmspritze“. Können nun also auch Nicht-DiabetikerInnen damit leichter ein paar Pfunde purzeln lassen? In der Schweiz wurde das Medikament sogar schon als „Schlankheits-Pen“ zu diesem Zwecke unter dem Handelsnamen „Wegovy“ zugelassen. Er wird ausschließlich zur Behandlung von Adipositas eingesetzt und nicht mehr zur Diabetes-Therapie. Die Dosierung bei „Wegovy“ ist deutlich höher als bei „Ozempic“. Sie liegt bei 2,4 mg pro Woche, also 1,4 mg mehr als bei „Ozempic“.
ALLERDINGS hält dieser Effekt nur so lange an, wie wir das Medikament auch einnehmen! Wird die Abnehmspritze abgesetzt, tritt das Hungergefühl wieder auf wie zuvor. Das bedeutet, man nimmt auch wieder zu. Was die ProbandInnen in einem Jahr mithilfe der Abnehmspritze an Pfunden verloren haben, nahmen alle nach Absetzen des Medikaments leider auch wieder zu. Wir reden hier also von einer lebenslangen Therapie,wenn der Effekt anhalten soll. Und das ist definitiv eine Schattenseite. Nicht nur wegen der enormen Kosten, die auf die PatientInnen sowie die Krankenkassen zukommen, sondern auch, weil es noch keine Daten zu eventuellen Langzeitfolgen der Abnehmspritze gibt. Womöglich verliert das Medikament nach einigen Jahren ja sogar an Wirkung oder es treten negative Nebenwirkungen auf. Das kann bis jetzt noch keiner sagen. Bislang sind nur Begleiterscheinungen wie Übelkeit und Erbrechen bekannt.
Traumgewicht bequem gespritzt?
MEINE MEINUNG ist, dass Semaglutid auf keinen Fall zum bequemen Abnehmen von 5-10 kg verwendet werden soll. Zur Behandlung von Diabetes macht es aber durchaus Sinn, da sich schließlich neben einer höheren Insulinsensitivität auch die Blutwerte verbessern. Um Adipositas, also sehr starkes Übergewicht, zu bekämpfen, kann es ebenfalls ein begleitender Helfer im Abnehmprozess sein. Begleitend deshalb, weil eine Umstellung von Ernährung und Bewegung natürlich trotzdem im Fokus stehen sollte, um ein nachhaltiges Ergebnis zu erzielen. Mit der Abnehmspritze würde das Übergewicht nach dem Absetzen schließlich wieder zurückkehren. Tatsächlich hat nur eine andere drastische Maßnahme eine größere Wirkung in der Gewichtsreduktion gezeigt: Eine Magenverkleinerung. Da bin ich allerdings ganz klar der Meinung, dass dies nur als allerletzten Ausweg gesehen werden sollte. In solchen Fällen wäre eine Spritze mit Semaglutid wahrscheinlich einer Operation vorzuziehen!
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